Notizen zu den Referaten (2019)

Tina Goethe, Dez 2019

Begrüssung:

Es geht uns an dieser Tagung darum, die Bedingungen für die Möglichkeit von Politik – also von gesellschaftlichem und politischem Handeln im breiten Sinne – zu diskutieren. Denn Politik findet nicht nur im Parlament und der nationalen Verwaltung statt. Sie findet auf vielen Ebenen, an vielen Orten und auf viele verschiedene Arten statt. In internationalen Gremien wie der UNO, der WTO oder auch in bilateralen Verträgen, sowie auf nationaler Ebene, in der Region, der Stadt, der Gemeinde oder auch dem Stadtteil, in dem wir leben.

Prof. Dr. Mathias Binswanger:

Ein Rückblick auf die landwirtschaftlichen Export- und Importstatistiken der Schweiz sowie auf die Preisentwicklungen zeigen, dass Bauern nicht von Agrarexporten profitieren. Die Wertschöpfung bleibt in der Regel bei den verarbeitenden Firmen bzw. den Agrarhandelsunternehmen. Landwirte finden sich in der so genannten landwirtschaftlichen Tretmühle wieder, weil sie versuchen, tiefere Preise durch erhöhte Produktion wettzumachen. Was wiederum zu tieferen Preisen führt. Das gilt auch für die afrikanischen Länder südlich der Sahara. Die Preise für Agrarrohstoffe sind tief bzw. starken Schwankungen auf dem Weltmarkt ausgesetzt. Aufgrund der starken Spezialisierung von wenigen Exportprodukten, sind viele Entwicklungsländer innerhalb der letzten von Agrarexporteuren zu Importeuren von Lebensmitteln geworden.

Ein Fokus auf Exportpolitik steht der Umsetzung agrarökologischer Prinzipien entgegen. Es braucht daher unbedingt eine Einschränkung für den Freihandel.

Dr. Silva Lieberherr:

Im Aufruf des internationalen Agrarökologie-Treffens Nyéléni von 2015 warnen die Organisationen von Bäuerinnen, Hirten, Fischerinnen und Landlosen vor der Vereinnahmung von Agrarökologie durch die Akteure der industriellen Landwirtschaft. Agrarökologie hat einen grundsätzlichen Systemwandel als Ziel. Und dieser wird nicht durch jene erreicht, die das vorherrschende Ernährungssystem nicht nur stützen, sondern auch sehr von ihm profitieren. An dem notwendigen Systemwandel haben diese Akteure kein Interesse. Wenn internationale Agrarkonzerne als Partner für die Armutsbekämpfung, Ernährungssicherheit und den Klimaschutz gewonnen werden sollen bzw. sich als Partner dafür anbieten, dann verkennt das, dass eben diese grossen Konzerne ihre Marktmacht und ihren politischen Einfluss dafür nutzen, um Agrarökologie und den Systemwandel zu verhindern. So setzt zum Beispiel die Weltbank Programme durch, um Land zu privatisieren, was schlussendlich dazu führt, dass Bäuerinnen und Bauern ihr Land verlieren. Und über Investitionsschutzabkommen werden die Interessen von Investoren und GrossgrundbesitzerInnen geschützt.

Bauern, Landarbeiterinnen und wir als Bürgerinnen und Bürger sind die Akteure eines Systemwandels in Landwirtschaft und Ernährung.

Prof. em. Dr. Hans Hurni:

Der Weltagrarbericht IAASTD 2008 kam zu dem Schluss «weiter wie bisher ist keine Option». Die industrielle Landwirtschaft ist an ihre Grenzen gestossen bzw. bereits weit darüber hinaus dabei, die natürlichen Ressourcen der Welt zu zerstören. Der Privatsektor, darunter auch Syngenta und Monsanto, waren in dem grossangelegten, internationalen und interdisziplinären Prozess zur Erarbeitung des Berichts von Anfang an beteiligt. Relativ kurz vor Veröffentlichung zogen sie sich zurück, als klar wurde, dass die Resultate nicht zu ihren Gunsten ausfallen würden und ein grundsätzlicher Wandel gefordert wurde.

Aktuell nimmt der Global Sustainable Development Report Agrarökologie auf, wenn auch in begrenzter Interpretation.

Simon Degelo:

Das Konzept der Agrarökologie wurde von der Wissenschaft entwickelt, in engem Austausch mit Bauernorganisationen in Lateinamerika. Agrarökologie versteht sich gleichermassen als Wissenschaft, landwirtschaftliche Praxis und soziale Bewegung.

Die Umsetzung von Agrarökologie in Projekten des Fastenopfers umfasst: ökologische Anbaumethoden, Vermarktung und Verarbeitung, politische Arbeit für die Rechte von Bäuerinnen und Bauern an Land und Saatgut.

Aïssée Barry:

Ertragssteigerung durch agrarökologische Methoden, Gleichberechtigung zwischen Männern und Frauen gefördert, Arbeitslast von Frauen reduziert. Lokale Produktion und Konsum stärken. Landrechte – vor allem auch für Frauen – sichern.

Dr. Pascale Waelti:

Komplexes Projekt, das sich um die nachhaltige Nutzung von Wasser und Boden kümmert im Spannungsfeld traditioneller Autoritäten und nationaler Verwaltung. Das Projekt involviert die verschiedenen Bevölkerungsgruppen, Produzenten und Hirten in der Region in Marokko. Landrechte und Gouvernanzfragen sind sehr relevant und müssen angemessen berücksichtigt werden, zum Beispiel auch bei Waldschutzprojekten.

Prof. Dr. Dr. Urs Niggli:

Drei Begriffe sind für die Abgrenzung von Agrarökologie gegenüber anderen ähnlichen Modellen wichtig.

Suffizienz: Reduktion von Überkonsum und Food Waste sind wichtig, um Rebound-Effekte zu verhindern.

Consistency: Agrarökologie muss jeweils an den Standort angepasst werden. Es gibt nicht gleiche Standards für alle (wie im Biolandbau), sondern die Berücksichtigung von Traditionen, Kultur, territorialen Gegebenheiten, sozio-ökonomischen Kontexten. Es sollen möglichst viel natürliche Materialien zum Einsatz kommen.

Ökoeffizienz: Der Wirtschaftlichen Wert eines Produktes wird mit seinem Einfluss bzw. seinen Auswirkungen auf die Umwelt verglichen.

Um Agrarökologie vorwärts zu bringen braucht es eine Politikkohärenz in der Schweizer Landwirtschafts-, Umwelt-, Aussen-, Handels-, Menschenrechts- und Finanzpolitik (etc.).

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